Das Archiv: Ein Blick in die Geschichte des Thüringischen Flurnamenarchivs
Gründung und Entwicklung
Das Thüringische Flurnamenarchiv wurde 1933 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Rahmen der thüringischen Landesstelle für Volkskunde gegründet. Informationen aus verschiedenen Forschungsprojekten und vorhandenen wissenschaftlichen Publikationen wurden “ausgezettelt”, also auf Belegzettel übertragen. Die einzelnen Flurnamenzettel wurden ihren jeweiligen Gemarkungen zugeordnet und alle Gemarkungen nach damaligen Landkreisen sortiert archiviert.
Vor allem in den Nachkriegsjahren wuchs der Bestand rapide an. Er umfasst heute knapp 126.000 Namenbelege für das Gebiet des Freistaats Thüringen. Dies stellt jedoch nur einen Bruchteil der geschätzten über 300.000 thüringischen Flurnamen dar (wobei historische Namen in der Schätzung noch nicht berücksichtigt sind). Durch den sprachwissenschaftlichen Erfassungsansatz sind außerdem rund 25.000 Namen aus thüringischen Dialektgebieten im heutigen südlichen Sachsen-Anhalt im Archiv hinterlegt. Insgesamt wurden also etwa 150.000 Flurnamen erfasst.
Stagnation und Neubelebung
Die Arbeit am Thüringischen Flurnamenarchiv stagnierte ab 1982. Eine Wende erfolgte im Jahr 1994 mit der Übernahme der Professur für Geschichte der deutschen Sprache durch Prof. Dr. Eckhard Meineke. Unter seiner Leitung entstanden zahlreiche flurnamenkundliche Abschlussarbeiten, die zusammen mit älteren Publikationen aus rund 100 Jahren thüringischer Flurnamenforschung an der Universität Jena archiviert werden.
Aktuelle Situation und Bedeutung
Das im Archiv lagernde Material - derzeit in 93 Zettelkästen und über 30 Pappboxen unter der Obhut von Frau PD Dr. Barbara Aehnlich - ist bedroht und wenig nutzbar. Die Digitalisierung im Rahmen unseres Projekts schützt nicht nur vor Zerfall, sondern macht diese einzigartige Sammlung auch für Wissenschaft und Öffentlichkeit zugänglich.
Die Bedeutung der Belegsammlung
Die Belegsammlung bildet den Grundstock für eine umfassende Sammlung und Auswertung der Thüringer Flurnamenlandschaft. Hier erhoffen wir uns Erkenntnisse über die Herkunft und Motivation der Namengebung sowie über die dialektgebundene Sprachgeschichte des ostmitteldeutschen Raumes. Auch lassen sich durch Flurnamenforschung neue Kenntnisse über die Kultur und Geschichte der Thüringischen Landbevölkerung gewinnen.
Ehrenamtliche Unterstützung und Ausblick
Ehrenamtliche Flurnamensammler und -sammlerinnen leisten seit jeher einen bedeutenden Beitrag, indem sie eigene Flurnamensammlungen erstellen. Über 700 Sammlungen mit rund 50.000 Flurnamen wurden bereits übermittelt und warten ebenfalls auf ihre vollständige Digitalisierung. Dieser bürgerwissenschaftliche Ansatz ist nicht neu. Bereits seit Beginn der Arbeit am Archiv wurde auf Zu- und Mitarbeit von Interessierten aus dem gesamten thüringischen Sprachraum gesetzt. Auch die von Laien erstellten Sammlungen sind an der Universität Jena archiviert. Dieser breite Einsatz der Bevölkerung ermöglicht eine umfassende Erfassung und Aufarbeitung der Thüringer Flurnamenlandschaft.