Beispiele aus der Praxis

Unsere Flurnamen sind mehr als bloße geografische Bezeichnungen – sie sind Archive vergangener Zeiten und stellen kulturelle Entwicklungen der Menschen Thüringens dar. In diesem Abschnitt möchten wir einen kleinen Einblick geben, wie Flurnamen als wertvolle Quellen für wissenschaftliche Auswertungen und Untersuchungen dienen können. Die folgenden Beispiele illustrieren, wie diese scheinbar einfachen Namen komplexe Geschichten erzählen und ein reichhaltiges Forschungsfeld eröffnen können.

Jeden Mittwoch stellen wir auf unseren Social Media Kanälen einen “Flurnamen der Woche”, also einen Flurnamen mit zugehörigem Belegzettel vor. Außerdem haben wir verschiedene Rubriken wie etwa „Flurnamen als Spiegel von Kultur- und Siedlungsgeschichte“, „Das ABC der Flurnamendigitalisierung“ oder thematisch interessante Einzelposts. Schaut doch gerne mal vorbei! 

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An der Friedrich-Schiller-Universität Jena bieten wir regelmäßig flurnamenkundliche Vorlesungen und Seminare im Rahmen verschiedener Wahlpflichtmodule an. Diese Veranstaltungen sind nicht nur darauf ausgerichtet, die Flurnamenforschung für eine jüngere Generation von Wissenschaftlern, Wissenschaftlerinnen sowie angehenden Lehrern und Lehrerinnen zu öffnen, sondern sie tragen auch maßgeblich zur Weiterentwicklung unseres Projekts bei.

Die wissenschaftlichen Hausarbeiten, die im Rahmen dieser Seminare entstehen, bieten oft fundierte Abhandlungen zu den wechselnden Seminarthemen. Viele dieser Arbeiten werden später im Flurnamenarchiv aufbewahrt, um die Erkenntnisse der Studierenden langfristig zu sichern. Studierende werden zudem dazu ermutigt, sich aktiv in die Flurnamenforschung oder in unser Projekt einzubringen. Einige haben ihre Abschlussarbeiten für Staatsexamen, Bachelor- oder Masterstudiengänge zu flurnamenkundlichen Themen verfasst.

Im Jahr 2022 organisierten Studierende sogar einen eigenen Workshop für Flurnameninteressierte aus ganz Thüringen. Das Seminar von PD Dr. Barbara Aehnlich wurde bei beiden Lehrpreisen der Universität Jena auf die Shortlist gesetzt. Die Präsentationsfolien dieses Workshops stehen unter Flurnamentagungen zum Download bereit.

Regelmäßig wird von Dr. phil. Susanne Wiegand das Seminar Dorf - Feld - Flur: Namenforschung im Kontext angeboten. Zu den weiteren flurnamenkundlichen Veranstaltungen, die in den letzten Jahren an der Universität angeboten wurden, gehören:

Sommersemester 2022:

Seminar: Historische Quellen im digitalen Zeitalter

Übung: Flurnamen und Digitalisierung

Wintersemester 2019/20: 

Seminar: Ortsnamen

Vorlesung: Onomastik

Sommersemester 2014:

Seminar: Bleiche, Röste, Werg – Namen als Spiegel der Kulturgeschichte

Sommersemester 2010:

Seminar: Dorf – Feld – Flur: Namenforschung im Kontext, Dokumentation und Analyse von Flurnamen in Camburg/Saale und den umliegenden Orten

Wintersemester 2009/10:

Seminar: Dorf – Feld – Flur: Namenforschung im Kontext, Dokumentation und Analyse von Flurnamen in Rothenstein/Oelknitz

Sommersemester 2009:

Seminar: Dorf – Feld – Flur: Namenforschung im Kontext, Dokumentation und Analyse von Flurnamen im Reinstädter Grund

Wintersemester 2008/09:

Seminar: Dorf – Feld – Flur: Namenforschung im Kontext, Dokumentation und Analyse von Flurnamen im Reinstädter Grund

 

In der älteren (vermeintlich wissenschaftlichen wie nicht-wissenschaftlichen) Literatur wird das jüdische Leben in Thüringen oft negiert. Flur- und Verkehrsnamen wie Judenstraße, Judenfeld oder Judengottesacker werden in diesen Fällen oft um- und fehlinterpretiert, um den offensichtlichen Bezug zu jüdischem Leben in der Region zu negieren. Der Wortbestandteil "Jude“ wird etwa als mundartliche Form von “Gott“ oder ”Gut“ interpretiert, und auch Herleitungen von beispielsweise der Jutepflanze sind keine Seltenheit.

In seiner Bachelorarbeit mit dem Titel "Zeugnisse Jüdischen Lebens aus dem Gesamtbestand des Thüringischen Flurnamenarchivs" untersuchte David Brosius die Flurnamen Thüringens hinsichtlich ihres Verbreitungsgebiets. Zu diesem Zweck wurden sämtliche Flurnamen mit der Wortkomponente "Jude" aus dem Gesamtbestand des Archivs zusammengetragen und ausgewertet. Ziel war es, zu ergründen, in welchen heutigen Regionen des Untersuchungsgebiets Flurnamen mit jüdischem Bezug existieren und ob diese sprachliche Referenz auch tatsächlich auf jüdisches Leben in der Region hinweist.

Das Fazit der Untersuchung war, dass die Entstehungsmuster der Namen weitaus häufiger evident und direkt auf jüdisches Leben zurückzuführen sind,  als es gerade die ältere Literatur zur Flurnamenkunde wahrhaben möchte. Als Beispiel kann Erfurt genannt werden, wo alle noch bekannten Namen auf historische jüdische Gemeinden zurückzuführen sind. Verkehrswege, Siedlungspunkte und insbesondere jüdische Begräbnisstätten scheinen für die Bevölkerung relativ bedeutsam gewesen zu sein, was sich auch in der vielfachen Namengebung widerspiegelt. Dieses Wissen kann durch anknüpfende Analysen und Studien Hinweise darüber geben, wie das Zusammenleben von der jüdischen und nicht-jüdischen Bevölkerung in kleineren, von der universitären Forschung häufig kaum betrachteten Gemarkungen und Ortschaften organisiert war.